Zum ersten Geburtstag: Stamm Zürich/Aargau

Laufen lernen

Bernd M. Reukauf

«isch ja scho es bizzeli too much für en Stamm, fintsch nöd?» Mein Gegenüber schaut ob seiner Aussage etwas unsicher auf den tadellos eingedeckten Platz vor sich: Drei blitzblanke im Lichte der von der Decke leuchtenden Lüster glänzende Gläser, drei Reihen feines Besteck, Dessertlöffel und -gabel oberhalb des schneeweissen Porzellans mit einer kunstvoll gefalteten Stoffserviette, die man eigentlich gar nicht mit Resten von Fett, Wein, Bier, Sauce oder Kaffee besudeln möchte. Ohne Zweifel eine edle Atmosphäre der Gasthof Sternen im Kloster Wettingen. Nun, kaum verwunderlich, haben wir es doch hier mit dem angeblich ältesten Gasthof des Landes zu tun, der dem wiederum jüngsten Spross aller MBVC-Stämme am jeweils zweiten Mittwoch im Monat eine Heimat bietet.

Too much? Ja, das gebe ich unumwunden zu, habe ich auch schon einmal gedacht. Aber mittlerweile habe ich eine andere Einstellung gewonnen: Die Vielfalt unseres Clubs, seiner Mitglieder sowie seiner automobilen Schätze findet mit dem Lokal des Stammes Zürich-Aargau ihren vorläufig passenden Abschluss. Schauen wir doch mal auf die Parkplätze vor den verschiedenen Stammlokalen: So findet sich am Sonntagmorgen der hellelfenbeinfarbene Strich-Achter der zweiten Serie gemeinsam mit dem 300 SL Flügeltürer vor den Türen des Löwen zum Brunch im bernischen Fraubrunnen ein. In Egerkingen stehen sich am ersten Donnerstag im Monat ein schwarzes Ponton Cabrio und ein 124er T-Modell gegenüber. An einem Mittwoch ruhen sich vor dem Sankt Gallischen Toggenburgerhof in Kirchberg eine Pagode und ein 190 SL aus. Und am dritten Dienstag des Monats werden – getreu zentralschweizerischer Historie im Tell in Gisikon – ein Adenauer 300er und ein mimosengelbes 123er Coupé vor der Terrasse parkiert.

     

Ja es hat alles bei uns, den stolzen Nürburg genauso wie die erste C-Klasse, den gutbürgerlichen Landgasthof wie den feinen Sternen in der altehrwürdigen Klosteranlage. Und jedes unserer Automobile passt zu jeder unserer Lokalitäten und soll dort auch sein. Von den Besitzern und Stämmlern gar nicht erst zu reden – da findet man auch alles zwischen Nadelstreifen und Jeans, T-Shirt und Rüschenbluse. Mal hier, mal da oder nur da oder nur hier – das ist doch das Schöne im MBVC: Ja es gibt regionale Stämme, aber eben keine regionalen Zwänge! Jeder kann jeden Stamm besuchen. Herrlich. Fünf mal im Monat Benzingespräche mit ebenfalls von der Sternenkrankheit Infizierten führen und die, die Krankheit auslösenden Autos bewundern. Oder eben einen verpassten Stamm durch den Besuch eines anderen ausgleichen.

Und nun hat also unser jüngster Stammhalter seinen ersten Geburtstag gefeiert und damit sozusagen laufen gelernt. Stolz waren sie, die Stammeltern Pia und Roland ob ihres Sprosses, der ja doch von Haus aus ein politisch, kulturell und geografisch heikles Gebiet abdecken soll – Aargau und Zürich. Wie spannend. Der gelungene Geburtstag war auch eine Gelegenheit, die Gasteltern in Gestalt des Wirteehepaares Walter J. und Andrea Erni vorzustellen. Vorstände waren anwesend, neue Clubmitglieder wurden willkommen geheissen und alte begrüsst. Es wurde gelacht, erzählt, informiert, gegessen, getrunken und gefeiert. Dem Geburtstagskind wünschen wir von Herzen alles Gute und versprechen, den Stamm auch weiterhin oft zu besuchen. Danke Pia und Roland!

Kommt doch auch mal und besucht einen anderen als «euren» Stamm. Es lohnt sich für jedermann bei den andern einmal vorbei zu schauen. Wie war das noch? Willkommen zuhause!