Motoren-Lebenselixier
András Széplaky
Gerade beim Letzteren hat es mich kürzlich kalt erwischt. Kalt und peinlich. Mit einer Corona-bedingten Verspätung wurde unser langgedienter 190 E 2.6 erst wieder nach mehr als drei Jahren zum Vorführen eingeladen. Der Blick in das Abgaswartungsprotokoll versetzt mir den ersten Schock: Seit über einem Jahr abgelaufen. Also auf direktem Weg zum «Dorfschmied»! Der erste Befund ist niederschmetternd: Schlechte Werte, vor allem der HC-Wert macht Kapriolen wie noch nie in den letzten 500‘000 km. Heinz fragt: Wann hast du das letzte Mal Öl gewechselt? Ich spontan: Alle Jahre – aber halt. Letzten Frühling hatte ich den folgenschweren Treppensturz. Winter davor konnte man noch Ski fahren und das bescherte mir eine Operation an der rechten Schulter. Nochmals ein Jahr früher die Rückenprobleme. Also zugegeben, es könnten 3, oder sogar 4 Jahre her sein…
Also sofort Öl ablassen, Heinz hat fassweise 10 W 40 und der bestellte Ölfilter ist «Just in Time» da. Nach erfolgtem Ölwechsel sind die Abgaswerte wieder wie gewohnt brillant und der HC ist wie angenagelt. Mein «Dorfschmied» schaut mich schräg an, immerhin kann ich seinem Blick Stand halten, obwohl ich am liebsten im Boden versinken würde… FAZIT: Regelmässiger Ölwechsel ist der wichtigste Bestandteil im Erhalt einer Maschine. Punkt.
Dann das passende Motorenöl. Da gehen wir in einen Dschungel mit dem Buschmesser. Zuerst die W-Werte. Der Buchstabe kommt vom W wie Winter, die Zahl vor dem W bezeichnet die Viskosität, das heisst die Zähflüssigkeit des Öls bei einer Temperatur von -17.8 C° (also etwa wenn wir den Motor im Winterurlaub auf etwa 2‘000 Meter über Meer starten wollen). Hoffentlich sind wir dann nicht mit unserem Oldie, sondern mit einem modernen 4WD unterwegs, dessen Motor etwa 0 W 15 Öl beinhaltet. Die Zahl nach dem W bezeichnet die Viskosität bei Betriebstemperatur, also wenn das Öl bereits mindestens 100 C° erreicht hat. Auch hier gilt es: Je älter der Motor, umso höher sollte die Zahl sein, denn erst modernere Motoren laufen hochtourig und bei hoher spezifischer Belastung.
Soweit einfach, doch hinter dieser Bezeichnung steckt das Additiv-Teufelchen. Die letzte Ausgabe der deutschen Oldtimer MARKT Zeitschrift klärt uns auf: Synthetische Leichtlauf Öle passen gar nicht zum Oldtimer, zum Teil auch nicht zum Youngtimer. Erstens sind die Dichtungen nicht für so leichtflüssige Öle ausgelegt, zweitens ist auch die metallurgische Beschaffenheit der älteren Motoren nicht auf die Chemie der synthetischen Öle ausgerichtet. Eine Faustregel besagt: Motoren bis 1960 sollten mit mineralischen Ölen der Qualität 20 W 50 betrieben werden, danach kommen die Konstruktionen für 10 W 40. Aber Achtung: Hier ist nicht der Zeitpunkt der Herstellung, sondern derjenige der Konstruktion zu beachten. Beispielsweise sind die Motoren unserer Pagoden zwar in den 60-er Jahren gebaut worden, die Grundkonstruktion des Grauguss 6-Zylinders geht jedoch auf die 50-er Jahre zurück. Bei diesen Fahrzeugen ist auch ein merklicher Ölverbrauch ganz normal und kann bis zu einem Liter pro 1‘000 km betragen. Also blaue Fähnchen aus dem Auspuff bei Lastwechsel – na ja…
Nur die Motoren der neuesten Generation laufen mit synthetischen Leichtlaufölen ohne merklichen Ölverbrauch bis zu 30‘000 km. Wenn aber ein Old- oder Youngtimer Besitzer am Stammtisch stolz erklärt: Mein Motor verbraucht kein Öl, dann nicken nur Ahnungslose anerkennend. Der Fachmann runzelt die Stirn und überlegt, warum der arme Motor immer mehr mit Benzin aufgeweichtem Schmieröl läuft? Und wie lange noch? Mercedes bescheinigt in den 60-ern den Motoren einen Ölverbrauch zwischen 1.5 und 2.5 Litern pro 1‘000 km. Und das MUSS sein, sonst stimmt mit dem Motor etwas nicht. Zugegeben, mit der zwischenzeitlich gestiegenen Öl-Qualität ist dieser Wert heute erheblich geringer, aber bei älteren Motoren ist ein gewisser Ölverbrach nun mal konstruktiv gegeben.
Es dreht sich aber nicht nur alles um die Viskosität. Es sind auch die Additive, die je nach Öl-Qualität definiert sind und eine grosse Rolle im Leben eines Oldie-Motors spielen. Übrigens: Diese Definitionen und Bestimmungen werden nur bei Marken-Ölen eingehalten, also bitte nicht beim Öl-Einkauf sparen! Es geht in erster Linie um die lebenserhaltenden Verschleissschutz-Additive, die aus Umweltschutz Gründen immer mehr vermindert werden. Das sind die Zinkdialkyldithiophosphate Verbindungen, kurz ZDDP, die nunmehr lediglich in älteren Ölen, also 20 W 50 und zum Teil noch in 10 W 40 enthalten sind.
Dies gilt allerdings auch beim Betanken des Oldtimers: Nur Marken-Treibstoff besitzt die nötigen Additive, die Einspritzanlagen aber auch Motoren vor unerwünschten Ablagerungen schützen. Beispielsweise wird bei den Pagoden empfohlen, Marken-Benzin der Super Qualität, also 98-er zu tanken. Dies nicht wegen der Oktan-Zahl, sondern wegen den Additiven, welche die empfindliche mechanische Einspritzanlage sauber halten.
