Mercedes-Benz SL – eine Legende


Wer kennt sie nicht: Die Modellreihe SL, deren Geschichte vor 70 Jahren mit dem legendären 300 SL begann. Entstanden aus dem Rennsport, ähnlich wie der unvergessliche Jaguar E-Type. Die Wurzeln liegen also im Motorsport, so müssen wir darauf zurückblicken.

András Széplaky und MB-Pressemitteilungen

Nachdem der Motorwagen von Karl Benz, und der schnelllaufende Viertaktmotor für den Antrieb allerlei Fahrzeuge von Gottlieb Daimler patentiert worden sind, nahm damals schon deren Entwicklung und auch die Verbreitung den grössten Aufschwung durch den Motorsport. Die Wettkämpfe waren die einzigen Mittel der Welt zu zeigen, dass das Automobil auch unter Belastung funktionieren kann. Es war auch diese Herausforderung, welche die damaligen Ingenieure zu bravurösen Leistungen inspiriert hatte.

Der Österreichisch-Ungarische Geschäftsmann Emil Jelinek, beeindruckt von den Erfolgen der Benz- und Daimler-Automobile im Rennsport, war der erste Vertreiber einer grösseren Serie von Automobilen. Allerdings unter der Bedingung, dass der Markenname derjenige seiner Tochter Mercédès wird.

Nach anhaltenden Erfolgen im Motorsport entstand auch der erste Kompressormotor der Geschichte. Darüber weiss die Presseabteilung der heutigen Daimler AG näheres:
 
LINKS: 1,5-Liter Kopressormotor des Mercedes 6/25 PS
 
RECHTS: Mercedes 6/25 PS Tourenwagen mit 1,5-Liter-Kompressormotor aus dem Jahr 1921

Mehr Ladedruck für mehr Leistung: Vor 100 Jahren stellt die Daimler-Motoren-Gesellschaft (DMG) die ersten beiden serienreifen Mercedes-Personenwagen vor, deren Motoren mit jeweils einem zuschaltbaren Roots-Kompressor ausgerüstet sind. Premiere haben diese Typen Mercedes 6/25 PS und 10/40 PS auf der ersten Deutschen Automobil-Ausstellung nach dem Ersten Weltkrieg, die vom 23. September bis 2. Oktober 1921 in der Ausstellungshalle am Kaiserdamm in Berlin stattfindet. Dort sorgen die neuen Mercedes-Typen für Aufsehen. Bis zur Produktion vergeht aber noch mehr als ein Jahr: Erst 1923 kommen die Fahrzeuge mit dem innovativen Antrieb auf den Markt. Die Kompressormotoren mit 1,6 und 2,6 Litern Hub-raum werden unter der Leitung von Paul Daimler entwickelt. Der älteste Sohn des Automobilpioniers und Unternehmensgründers Gottlieb Daimler ist seit dem Ausscheiden von Wilhelm Maybach aus dem Unternehmen im Jahr 1907 Leiter der  DMG-Fahrzeugentwicklung.

Die Wirkung des mechanischen Laders ist enorm:
Im Mercedes 6/25 PS mit 1.568 Kubikzentimetern Hubraum steigt die Leistung bei Zuschalten des Kompressors von 15 bis 18 kW (20 bis 25 PS) auf 28 bis 29 kW (38 bis 40 PS). Beim Typ 10/40 PS mit 2.614 Kubikzentimetern Hubraum stehen ohne Kompressor 26 bis 29 kW (35 bis 40 PS) und mit Kompressor 48 kW (65 PS) zur Verfügung. Im Mittel ist das jeweils ein Leistungszuwachs von gut 60 Prozent. Um das Potenzial schon im Namen des jeweiligen Modells zu verdeutlichen, erhalten die beiden Fahrzeuge im Jahr 1924 erweiterte Typbezeichnungen: Künftig werden sie als Mercedes 6/25/38 PS und Mercedes 10/40/65 PS angeboten. Dabei steht die letzte Zahl für die Leistung in PS mit zugeschaltetem Kompressor.

Die Kompressoren sind zuschaltbar, weil die Motoren einem Dauerbetrieb unter deren vollen Leistung nicht standhalten würden. Damals waren Kompressoren für spezielle (Renn-) Situationen gedacht.

Die Wirtschaftskrise zwingt sie: 1926 fusionieren die zwei Konkurrenten Benz und Daimler. Von da an heisst die Markenbezeichnung einheitlich Mercedes-Benz.

Die Erfolge aus dem Motorsport lassen auch künftig keine andere Alternative zu, diese sind zum wichtigsten Marketinginstrument geworden. So wird nach dem überstandenen Zweiten Weltkrieg auch auf diesem Gebiet weiter geforscht und entwickelt. Die Alliierten lassen zwar vorerst nur den Bau von «Nutzfahrzeugen» zu, doch die Ingenieure arbeiten unablässig weiter. So entsteht auch unter der Leitung von Rudolf Uhlenhaut ein Rennfahrzeug, an dessen Entwicklung bereits vor 70 Jahren fieberhaft gearbeitet wird. Diesem Bestreben und was daraus entstanden ist, wird im Mercedes-Benz Museum vom 22. Oktober 2021 bis 15. Mai 2022 eine Sonderausstellung gewidmet – unter dem Motto: «Faszination SL – seit 70 Jahren ein Traumwagen»

LINKS: Der aus dem Rennsport stammende 300 SL «Flügeltürer» erlaubt mit seinem, im Schwellenbereich hoch bauenden Gitterrohrrahmen keine andere Lösung, als oben angeschlagene Türen.
 
RECHTS: Der Gitterrohrrahmen beim 300 SL Roadster erfährt bezüglich Türausschnitt eine Modifikation.

Was weiss die Presseabteilung der Daimler AG über diese Entwicklung zu berichten?

Im März 1952 und damit vor fast 70 Jahren stellt Mercedes-Benz den 300 SL vor. Der reinrassige Rennsportwagen holt im gleichen Jahr in fünf Rennen vier Siege. Rufe nach einer Serienversion werden laut. Mercedes-Benz reagiert und präsentiert 1954 das 300 SL Coupé sowie den komfortablen Roadster 190 SL. Seitdem gibt es eine ununterbrochene Tradition von Serienfahrzeugen mit den berühmten zwei Buchstaben: Das „S“ steht für „Super“ und das „L“ für „Leicht“. Auch in Zukunft schreibt Mercedes-Benz die Erfolgsgeschichte des SL weiter.

Auf Anhieb erfolgreich: Mit dem 300 SL Rennsportwagen (W 194) tritt Mercedes-Benz nach dem Zweiten Weltkrieg erstmals wieder im internationalen Rennsport an. Die Bilanz: Dreifachsieg in Bern, Doppelsiege in Le Mans und bei der Carrera Panamericana in Mexiko, Vierfachsieg auf dem Nürburgring. Das ausgestellte Fahrzeug mit der Fahrgestellnummer 194 010 00002/52 ist der älteste weltweit existierende SL – seit 1952 im Werksbesitz.

Traumsportwagen bis heute: Design und Technik machen den im Februar 1954 in New York präsentierten 300 SL so faszinierend. „Flügeltürer“, „Gullwing“  (Möwenschwinge) oder „Papillon“ (Schmetterling) wird er genannt. Die am Dach angeschlagenen Türen sind aber kein ästhetischer Selbstzweck, sondern technisch notwendig. Denn der Gitterrohrrahmen baut seitlich so hoch, dass sich übliche Türkonstruktionen nicht verwirklichen lassen.

Komfortables, sportliches Offenfahren: Das sind Kernmerkmale des Mercedes-Benz SL seit dem 190 SL. Er wird 1954 zusammen mit dem 300 SL Coupé in New York vorgestellt und ergänzt seit der Markteinführung 1955 als offener Roadster perfekt das Modellportfolio. Beide Fahrzeuge und auch der 300 SL Roadster gehen zurück auf die Initiative des US-Imorteurs Maximilian E. Hoffman. Insgesamt werden 25.881 Exemplare des 190 SL gebaut.

Rennsportgene und Glamour eines offenen Sportwagens: Der Mercedes-Benz 300 SL Roadster verbindet beides perfekt. Er wird im März 1957 in Genf als Nachfolger des Coupés präsentiert. Er hat ein weiterentwickeltes Fahrwerk, später erhält er Scheibenbremsen und einen Motorblock aus Aluminiumguss. Mit dem von der Serienversion abgeleiteten 300 SLS wird Paul O’Shea 1957 US-Sportwagenmeister in der Kategorie D.

Die „Pagode“: Auf dem Auto-Salon Genf 1963 präsentiert Mercedes-Benz den 230 SL der Baureihe W 113. Er ist als komfortabler zweisitziger Reisewagen mit hohen Fahrleistungen konzipiert und ersetzt gleichzeitig den 190 SL (W 121) und den 300 SL Roadster (W 198). Die Form des optionalen Hardtops erinnert an asiatische Tempelbauten und bringt ihm den Spitznamen „Pagode“ ein. Er ist der weltweit erste offene Personenwagen mit Sicherheitskarosserie.
 
Eleganz und Solidität: Das strahlen die SL der Baureihe R 107 aus. Sie hat vor 50 Jahren im Frühjahr 1971 Premiere. Erstmals in der Geschichte des Mercedes-Benz SL arbeiten unter der Motorhaube auch Achtzylindermotoren. Mit mehr als 18 Jahren Produktionszeit stellt die Baureihe R 107 einen markeninternen Rekord auf, der kaum mehr zu überbieten sein dürfte. Entsprechend gibt es über die Laufzeit eine sehr breite Palette von Motorvarianten.

Innovationsträger: Mercedes-Benz präsentiert den SL der Baureihe R 129 auf dem Auto-Salon Genf 1989. Die stilsichere Gestaltung mit ihrer äußerst harmonischen Gesamtwirkung gilt als eines der Bravourstücke des Designbereichs unter der damaligen Leitung von Bruno Sacco. Neue Maßstäbe setzt dieser SL auch bei der Sicherheit: Wichtige Bestandteile sind der automatische Überrollbügel sowie die kraftaufnehmenden Integralsitze.

Bild 1: Das Hardtop, der Namensgeber der «Pagode». Übernommen auch beim /8 Coupé und R 107.
Bild 2: Die Erscheinungsformen des R 107,  eines der am längsten gebauten Modelle: 1971 bis 1990. Ein «Ankommer» in jeder Hinsicht.
Bild 3: R 129, der Nachfolger, ein technologischer Quantensprung in das elektronisch gesteuerte Zeitalter .

2001 hat die SL-Generation R 230 Premiere. Ihre auffälligste Neuerung ist das Variodach, ein Faltverdeck aus festem Stahlblech: Innerhalb von nur 16 Sekunden wird aus dem Fahrzeug ein Roadster – und umgekehrt ein Coupé. Das Design vereint Tradition und Zukunft, etwa über die Luftöffnungen in den vorderen Kotflügeln und die schmalen, flügelähnlichen Profile daran. Sie sind eine Reminiszenz an den legendären 300 SL der Baureihe W 198.

Im Januar 2012 präsentiert Mercedes-Benz zum 60. Geburtstag des SL die Baureihe R 231. Ein Schwerpunkt der Neukonstruktion liegt auf der Gewichtsreduzierung des Sportwagens. Er hat eine Rohkarosserie aus Aluminium, der Kofferraumdeckel besteht aus Stahl und Kunststoff, im Dachsystem werden Magnesium und ebenfalls Kunststoff verwendet. Zahlreiche Systeme für aktive Sicherheit und Komfort sind Serie oder auf Wunsch erhältlich.

So weit die Chronologie dieser Legende, die kurz SL heisst. Zwei Buchstaben die selbst in Stuttgart heilig und unberührbar scheinen. So hat diese Buchstabenkombination bisher sämtliche Modellreihen-Bezeichnungsrevisionen schadlos überstanden. Es ist anzunehmen, dass diese zwei magischen Buchstaben auch in Zukunft bestehen bleiben. Das Käuferinteresse jedenfalls spricht dafür.

Alle Modelle der bisherigen Baureihe stechen mit irgendeiner Besonderheit hervor. Die Betrachtung ist unvollständig und rein individuell:
 
300 SL – W 198, der Maiestätische
190 SL – W 121, der Schönste
230 SL – W 113, der Sympathischste
280 SL – R / C 107, der Ankommer – immer!
300 SL – R 129, der technologische Quantensprung
weitere SL Modelle – Griff nach den Sternen
 
Aus aktuellem Anlass widmet MB Classic Management einen Kranz dem Ausreisser SLC 107. Das Coupé mit dem verlängerten Radstand stammt einerseits vom Roadster R 107 ab, will andererseits die fehlenden Coupé Modelle der S Klasse ersetzen. Ein Spagat, der schwierig ist.

Was meint die MB Presseabteilung dazu?

Es ist eine glanzvolle Premiere: Auf dem Autosalon Paris, einem beliebten Schauplatz für elegante Kreationen, stellt Mercedes-Benz im Oktober 1971 das SLC-Coupé vor. Das viersitzige Fahrzeug kombiniert hohe Fahrleistungen mit bestem Fahrkomfort und ist beispielsweise auf der Langstrecke ein idealer Begleiter. Als erstes Modell steht der 350 SLC auf der Messe in der französischen Hauptstadt. Später folgen weitere Typen, und mit den Evolutionsstufen 450 SLC 5.0 und 500 SLC ist die Marke sogar im Motorsport erfolgreich: Mercedes-Benz setzt sie werksseitig bei Langstreckenrallyes ein und erzielt in Südamerika und Afrika Gesamtsiege. Längst sind gut gepflegte Exemplare dieser SLC-Baureihe zu begehrten Klassikern mit Wertsteigerungspotenzial geworden.

Am 18. Juni 1968 beschließt der Vorstand die Serienfertigung des neuen SL (R 107) als Nachfolger der „Pagoden“-Baureihe W 113. Zu diesem Zeitpunkt wird noch
darüber diskutiert, ob auch das Coupé der Baureihe W 111 einen Nachfolger erhalten soll. Eine Möglichkeit wäre, auf die neue S-Klasse der Baureihe 116 als technische Basis zu warten, die gerade entsteht und schließlich im September 1972 vorgestellt werden wird. Doch die Entwicklungskapazitäten würden die Fertigstellung des neuen Coupés erst Mitte der 1970er-Jahre erlauben. Damit es früher auf den Markt kommt, fällt die Entscheidung, das Coupé am SL zu orientieren. Was dem Karosseriebau in Sindelfingen zu verdanken ist: Das Team unter der Leitung von Karl Wilfert entwickelt zunächst eher inoffiziell eine Coupévariante des R 107 und präsentiert sie dem Vorstand als „Rohling“. Der ergreift die Chance: So stellt die Marke das Luxuscoupé C 107 im Oktober 1971 und damit nur sechs Monate nach der Weltpremiere des neuen SL vor. Die Serienfertigung beginnt im April 1972 und läuft bis 1981, insgesamt entstehen 62.888 Fahrzeuge. Die beliebteste Variante ist der 450 SLC mit 31.739 Exemplaren.

Der SL Entwicklungsprozess wird weiter gehen – wie auch immer. Lassen wir uns überraschen!

Im Jahr 1999 präsentiert AMG sein bislang stärkstes Strassenfahrzeug: den SL 73 AMG mit 386 kW/525 PS Leistung. Zu diesem Zeitpunkt markiert der Roadster die unangefochtene Spitze innerhalb des kleinen, feinen Marktsegments der offenen Supersportwagen. Für die Beschleunigung auf Tempo 100 km/h benötigt der SL 73 AMG nur 4,8 Sekunden; die Höchstgeschwindigkeit liegt je nach Kundenwunsch bei 250 oder 300 km/h