Ladies Day – Ritterinnen der Landstrasse

Wie 18 Damen, ein 121er, ein 113er, sieben 107er und ein 124er am 5. September 2020 die Habsburg eroberten.

Doris Amacher
 
Von einem warmen Getränk gestärkt, mit genügend Kraftstoff, gutem Schuhwerk und einer Wegbeschreibung ausgestattet, machen sich an besagtem sonnigen Samstag in der kühlen Morgenfrische 18 Damen am Sempachersee auf den Weg zur Habsburg. Sie verlassen ihren Ort des Zusammentreffens in Eich, lenken ihre offenen und den einen geschlossenen Wagen zunächst nach Sempach und dann vorbei an der Kapelle, welche an die 1386 ausgetragene Schlacht bei Sempach erinnert, als die sich allmählich festigende Eidgenossenschaft das Herzogtum Österreich besiegte.

Manch prächtiger, klarer Blick bis weit in die Luzerner und Innerschweizer Hügelzüge entzückt die Damen auf der weiteren Reise ins Seetal, die sie zunächst über Hildisrieden und Römerswil bis zum Baldeggersee führt. Rasch gelangen sie danach ans rechte Ufer des Hallwylersees in die liebliche Schongauer Landschaft. Doch Obacht: just in der Mitte des Örtchens Sarmenstorf versperrt ein gestrenger Wächter den wackeren Damen den Weg. Mit finsterer Miene gebietet er Einhalt und fordert sie auf, mit ihren zehn Gefährten auszuweichen und sich still zu halten, bis er ihnen das Zeichen zur Weiterfahrt gäbe. Mit erheitertem Gemüt und grossem Erstaunen verfolgen die Damen alsbald den Vorbeizug eines rasenden Heers auf Zweirädern, gefolgt von einem schier nicht enden wollenden Wagentross. Nach vergnüglichem Wortwechsel starten die Damen ihre anmutigen Vehikel und die Fahrt geht weiter durch Orte mit dichten Häuserzeilen, vielen Handelsgeschäften, zahlreichen Strassenkreiseln und rot-orange-grünen Lichtern und vielen andern, schnelleren Wagen.

 

Bald rückt das Schloss Brunegg in Sichtweite und nun wissen alle, dass der Weg nicht mehr weit ist. Nach dem Örtchen Scherz, am Fuss des Burghügels angekommen, bewegt sich die Kolonne von zehn Wagen in geschlossener Formation auf die Habsburg zu. Mit vollem Schwung, einige in den Fahrzeugen stehend und Bilder schiessend, erklimmen die 18 Weibsbilder mit ihren Wagen die steile Strasse, fest entschlossen, nun die Habsburg einzunehmen. Die Gefährte stellen sie ein wenig unterhalb der Burg ab und gehen die letzten Meter zu Fuss. Im Burghof angekommen, werden die dürstenden Frauen mit grosser Gastfreundschaft empfangen, an festlich bereitete Tische geleitet und sie laben sich unter der herrlich strahlenden Sonne an köstlichem Weisswein und Wasser.

Auf einmal erblicken die holden Ritterinnen eine Gestalt, die aus dem Schatten der Burg hervortritt und Holz sammelt. Sie stellt sich ihnen vor als Bediensteter namens Sebastian. Ganz im Vertrauen erklärt er den Damen, dass sein Herr, der Graf Rudolf von Habsburg, sich soeben nach Altenburg begeben habe zum Schröpfen und er ihnen deshalb heimlich die Burg zeigen könne, wenn sie denn möchten und seinem Herrn nichts davon sagen würden. Mit grosser Neugier folgen sie ihm und klettern zu den Burgmauern hoch und lauschen Sebastians Geschichten. Er erzählt von der Burggründung, von einem Habicht als Namensgeber der Burg, von den Tischmanieren, von den vielen früh verstorbenen Kindern und von Kälte und Hunger auf der Burg in der Winterzeit. Bevor sein Herr zurückkehrt, führt Sebastian die Damen zurück zum Burgtor und nimmt ihnen das Versprechen ab, ihn nicht zu verraten, falls sie später seinem Herrn begegnen sollten.

Alsbald wird zur Tafel gebeten und die hungrigen Damen lassen sich in der aufs Lieblichste geschmückten Schlossstube nieder. Als Auftakt zum festlichen Mahl wird eine Vorspeise gereicht, danach folgt ein köstlich Hauptgericht und den krönenden Abschluss bildet eine die Gaumen mit süssen und gerösteten Varianten verzaubernde Nachspeise.

Zwischendrin klopft es an die Tür: Sebastian gesellt sich zu den Damen an die Tafel und erzählt ihnen manch lustige und gruselige Anekdoten über den jungen Ritter Rudolf. So erfahren die tafelnden Holden, dass Rudolf 1218 zur Welt gekommen ist, dass seine Vorfahren im Kloster Muri begraben sind, dass er sich als Jüngling am Kaiserhof aufgehalten und eine ritterliche Erziehung genossen hat, bei welcher ihm Tischsitten und stets ritterliches Benehmen gegenüber Damen, Kindern und Waisen beigebracht worden sind. Aber auch das Kriegshandwerk hat er erlernt und bei manchem Turnier die Lanze auf seinen Feind gerichtet und ihn mit kühnem Handstreich besiegt.

Aber nicht nur Rudolf ist der grosse Held des Tages, auch den 18 Weibsbildern ist die Eroberung der Habsburg mit grosser Wirkung, ohne Pech und Pannen gelungen, dank Umsicht und genialem Plan der beiden Burgdamen Yvonne Morf und Claudia Sabatella, denen mit grossem Applaus und einer Gabe gebührendes Lob erteilt wird.
 
So endet nun der herrliche Tag nach üppigem Mahl, zahlreichen Geschichten und bei strahlendem Sonnenschein. Die 18 frohgemuten und zufriedenen Ritterinnen der Landstrasse beteuern, ihre Wagen doch gerne im nächsten Jahr an einen andern Ort zu lenken und sie freuen sich auf neue Geschichten und Abenteuer in geselliger Runde.

Dann katapultiert der WhatsApp-Chat die Ritterinnen zurück in die Gegenwart:

«17:29 Liebe MBVC Ladies, wir hoffen Ihr seid alle wohlbehalten zu Hause angekommen. Wir möchten uns bei euch für den schönen Tag bedanken. Ihr wart tolle Pilotinnen und Co-Pilotinnen; in Zukunft solltet Ihr bei den MBVC-Ausfahrten immer fahren! Nur wenn Ladies unterwegs sind, klappt alles so vorbildlich. Wir wünschen Euch noch ein schönes und geruhsames Rest-Wochenende. Liebe Grüsse Claudia und Yvonne».
 
«17:40 Liebe Ladies, es war toll! Ganz herzlichen Dank für die wunderschöne Fahrt. Sandra, die Pagode und ich hatten danach eine gemütliche und sehr schöne Rückfahrt – bis bald, bleibt gesund.»
 
«18:16 Erika und ich sind mit tollen, fröhlichen, sonnigen Eindrücken gut zuhause angekommen und freuen uns auf ein Wiedersehen – es war super schön, herzlichen Dank!»
 
«18:32 – Liebe Ladies, vielen Dank für die schöne, gelungene und tolle Ausfahrt – super, dass wir uns schon auf nächstes Jahr freuen dürfen. Dank an die zukünftigen Organisatorinnen. Noch ein gemütliches Wochenende.»
 
«18:58 – Liebe Frauen, auch die beiden 1957er-Modelle (Ponton und ich) sowie Esther sind gut zuhause eingetroffen. Es war wunderbar – merci viel Mal an Yvonne und Claudia und euch alle.»
 
«19:07 – Was für ein toller Tag! Nochmals ein riesen Dankeschön an Yvonne und Claudia, alles super organisiert. Nachdem wir in Aarau den ‹Ausgang› fast nicht gefunden haben, sind wir dann doch noch über den Landweg zu Hause angekommen.»

 

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