Herbstausfahrt 2022

Vom Mars zum Atlas und via Chuderhüsi in den Thalgraben – oder 36 MBVC-Old- und Youngtimer erfahren das Emmental.

Doris Amacher

Wer sich darauf eingestellt hat, für einmal eine Herbstausfahrt ohne Passstrassen zu geniessen, hat nicht mit der Emmentaler Hügellandschaft gerechnet. Die Organisierenden der Ausfahrt nennen sie in ihrem sorgfältig zusammengestellten Roadbook liebevoll «ein Gemeinschaftswerk der Gletscher, (…) der Flüsse, die das Emmental weitgehend ungestört zerfurchen und zerklüften konnten». Aber zunächst beginnt die diesjährige Herbstausfahrt, organisiert von Thomas und Cornelia Habegger am Rand des Emmentals, nämlich unweit von Burgdorf im Bauerndorf Mötschwil, ob Zufall oder nicht, rund 50 Meter entfernt vom Zuhause unseres Gründungsmitglieds Markus Ackermann.
 
In den Parkplatz dirigiert werden wir von Roland Blaser, dem als Ersteintreffenden kurzerhand eine grüne Warnweste übergestülpt wird, mit der Bitte, die Fahrzeuge wohlgeordnet einzuweisen. Ununterbrochen treffen die mit hübschen Regenperlen verzierten Old- und Youngtimer ein. Thomas und Cornelia sind überrascht von der Pünktlichkeit der 66 Teilnehmenden, die um 08.30 Uhr in Richtung Kaffee und Gipfeli streben. In weiser Voraussicht haben Habeggers eine zweite Kaffeemaschine mitgebracht.
 
Aber wo sind wir denn hier hingeraten? Gemäss Ausschreibung in den Skulpturenpark des Eisenplastikers Bernhard Luginbühl (1929-2011). Wer diesen Künstler zuvor nur vom Namen her oder gar nicht gekannt hat, ist völlig erschlagen von den gewaltigen Massen seiner Skulpturen, von den tonnenschweren zusammengeschweissten Gebilden, in denen man Sammelstücke von Schrottplätzen, alten Fabrikeinrichtungen oder vom Hamburger Schiffshafen erkennen kann.

Es ist die Geschäftsführerin der Stiftung Bernhard Luginbühl, Joana Schertenleib, die uns in zwei Gruppen aufgeteilt durch den spektakulären, mit vielen heimischen und exotischen Pflanzen durchwirkten Kunstoase führt. Sie setzt einige der Plastiken in Bewegung und man zieht unwillkürlich den Kopf ein, wenn eine Eisenkugel über die zwei gebogenen Schienen der monströsen kinetischen Installation, genannt «Atlas», donnert. Ein Lächeln zaubert der «Grosse Frosch» auf die Gesichter, denn die riesige Eisenzunge dieser zoomorphen Figur tänzelt keck vor und zurück.

Joana Schertenleib ist im Umfeld der Luginbühls aufgewachsen und ihre Begeisterung für die Kunst von «Bärnu», wie sie Luginbühl vertraut nennt, springt auf uns über. In lupenreinem Berndeutsch umreisst sie das gesamte Schaffen von «Bärnu», erzählt von seinen Grafiken, seinen Eisen- und Holzarbeiten und weist auf seine Protest-Holzobjekte genannt «Zorn» hin, die er publikumswirksam öffentlich verbrannt hat. Davon sind nur noch die sorgfältig gefertigten Holzmodelle übrig. Sie hebt weiter sein Engagement für den Schutz von alten Bauernhäusern hervor und schwärmt von seinen berühmten Einladungen mit emmentalisch-üppigen Mahlzeiten. Rasch noch ein Blick auf die Skulptur «Mars» geworfen, die zwischen Sträuchern hervorlugt, dann geht’s mit vom regennassen Gras angefeuchteten Schuhen zu unseren Fahrzeugen.

Ein eindrücklicher Konvoi von 36 Old- und Youngtimern setzt sich in Bewegung, erklimmt steile Hügel, meistert souverän die vielen engen Passagen der wohlausgewählten Nebensträsschen und passiert urige Emmentaler Dörfer und Weiler wie Wikartswil, Walkringen, Metzgerhüsi, Biglen, Zäziwil, Bowil, wo schliesslich der Wegweiser «Chuderhüsi» ein erstes Etappenziel ankündet, zu welchem es nochmals steil bergauf geht. Wer sich nun, die Regenpause nutzend, durch den märchenhaften Wald mit üppig-grünem Moosteppich und vielen Pilzen, zum Aussichtsturm «Chuderhüsi» begibt, wird nach einem Aufstieg über 195 Treppenstufen mehr als belohnt. Trotz Regenwolken und Nebelfetzen erahnt man die spektakuläre Aussicht, ja Rundumsicht, die sich hier bietet. Das Wiederkommen bei schönem Wetter ist vorprogrammiert!
 
Nach kurzer Fahrt ist auch das zweite Etappenziel erreicht. Die hübsche Kirche Würzbrunnen, berühmt geworden durch die Gotthelf-Filme, ist wegen ihrer wunderbaren Lage eine beliebte Hochzeitskirche. Auch hier lohnt sich ein kurzer Besuch, denn die Innenausstattung mit der spätgotischen Holzdecke, der qualitätvollen Renaissancekanzel und Wandmalereien mit üppigen barocken Inschriftkartuschen von 1779 vermitteln ein beeindruckendes Gesamtbild dieser integral erhaltenen Landkirche.

Da jetzt vielen wohl der Magen knurrt, ist der Parkplatz bei der Kirche plötzlich leer und wir begeben uns als einsame Nachzügler auf die verbleibende, wiederum über Eggen und in Täler führende Etappe via Signau, Moosegg, Arnisäge, Hämlismatt, in den Thalgraben zum Restaurant Thalsäge. Dank dem präzisen Roadbook schaffen wir auch den letzten Abschnitt der insgesamt 84,4 km langen Strecke ohne «Verfahrer» und treffen noch gerade pünktlich um 14 Uhr am Ziel ein. Kurzum stehen die Suppenschüsseln auf dem Tisch und alle strecken mit Begeisterung ihre Teller den Schöpfenden entgegen. Auch die Menüs finden grossen Anklang und das Dessertbuffet rundet das herrliche Mittagessen ab.

Nun gilt es noch ganz viele Komplimente auszusprechen! Nämlich allen vorweg den beiden Organisierenden Cornelia und Thomas Habegger, die es gewagt haben, uns in ein waldreiches Hügelland zu locken und ein breitgefächertes, attraktives Programm zusammengestellt haben – SUPER!
 
Beeindruckt von ihrer sehr persönlich geprägten, kompetenten Führung durch den Skulpturenpark von Bernhard Luginbühl, geht ein begeisterter Dank an Joana Schertenleib, Geschäftsleiterin der Stiftung Luginbühl.
 
Das kulinarische Verwöhnprogramm haben wir den Gastgebern des Restaurants Thalsäge Ueli und Barbara Badertscher zu verdanken, sowie ihrem Team, das uns mit viel Geduld, Humor und ohne Zaudern von der Suppe bis zum Kaffee betreut hat.
 
Und schliesslich geht ein dickes Kompliment – das erlaube ich mir auch im Namen des Clubs zu formulieren – an alle Teilnehmenden, die einerseits ihre Fahrzeuge am frühen Sonntagmorgen aus dem Stall geholt und ins Emmental gelenkt haben und andererseits trotz Regenwetter die gute Laune immer haben mitfahren lassen.
 
Und in diesem Zusammenhang verleihe ich meiner Bewunderung und Freude Ausdruck, dass ich ausser den BE-Nummernschildern – was naheliegend ist – auch solche mit AG/AI/BL/LU/SO/SZ/TG/ZG/ZH wahrgenommen und zahlreiche Clubmitglieder aus der Zentral- und Ostschweiz wiedergesehen habe.

Ein schöner Oldtimer-Saisonabschluss!
 

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