Fahrzeug einwintern

Und nun wird es Winter

Nicht alle unsere Gleichgesinnten wagen die Teilnahme mit ihren Oldtimern an einem Geschicklichkeitswettbewerb auf der Eisbahn oder an einer Winter-Rallye. Ganz Verwegene fahren sogar mit ihrem Oldie in den Winterurlaub, aber über diese Heldentaten wollen wir diesmal nicht berichten. Wir beschäftigen uns mit den geschätzten 95 % der Oldtimer, die im Winter einige Monate abgestellt werden.
 
András Széplaky
 
Im Herbst erscheinen in den meisten Fachzeitschriften gute Ratschläge über das Einwintern, das heisst über die notwendigen Vorkehrungen, die getätigt werden müssen, wenn die gute alte Mechanik dem Winterschlaf überlassen wird. Doch darüber hinaus gibt es noch eine weitere Variante um den tückischen Standschäden vorzubeugen.

Das Auto auch im Winter bewegen.
Hier in der Schweiz geniessen wir ein zentraleuropäisches Klima, das vielen wechselnden Einflüssen ausgesetzt ist. Mal kommt ein arktisches Tief, dann ein Mittelmeehrhoch. Das heisst, der Schneefall und die salzigen Strassen werden immer wieder abgetaut und ein milder Regen wäscht das Salz von der Fahrbahn. Und dies ist der Moment, den Oldtimer zu bewegen und damit vor den Standschäden zu bewahren. Ich persönlich finde diese Variante müheloser und obendrein vergnüglicher als das Einmotten. Aber dabei bitte unbedingt beachten: Die gefahrene Strecke sollte mindestens 20 bis 50 km betragen, sonst bleiben schädliche Rückstände im gesamten System zurück. Beim Kaltstart sind die Verbrennung und die Schmierung alles andere als optimal und es entsteht Kondenswasser im Motor. Das alles ergibt einen Cocktail, der metallzerstörende Wirkung hat, die erst beim Erreichen der Betriebstemperatur ausgetrieben wird. Und jeder, der Mal ein Auto mit Öl-Temperaturanzeige fahren konnte weiss, dass das Öl selbst bei einem 2-Liter Motor mindestens 20 km braucht um auf Betriebstemperatur zu kommen.
 
Am allerschlimmsten ist es, in der Garage den Motor einige Minuten im Leerlauf laufen zu lassen – davor warnt ein jeder Experte und das mit Recht. Erstens geht die Aufwärmphase beim unbelasteten Motor zu lang, die ganze Zeit läuft dieser unter ungünstigen thermischen Bedingungen und wird erst noch ungenügend geschmiert. Am Schluss ist höchstens das Kühlwasser warm und nicht das Schmiermittel. Der metallische Abrieb ist zu hoch und es entsteht eine grosse Menge Kondenswasser, das nicht hinausgetrieben wird, sondern Gelegenheit hat, sich mit den Gasen aus der ungünstigen Verbrennung zu sehr schädlichen Verbindungen zu vermengen. Ohne eine anschliessende Fahrt bleibt dieses Gemisch im Auspuff liegen und greift selbst Chromstahlanlagen an.

Und nun zum Winterschlaf
Wie eingangs erwähnt, die Regeln sind in den meisten Publikationen die gleichen und diese wissen wir ja schon alle. Doch ein Check kann nicht schaden. Den Leitfaden zu meiner Zusammenfassung entnehme ich dem Club-Magazin des SL-Club Pagode in Deutschland. Hier hat meines Erachtens Karl Kittel, Technikreferent Süd, die notwendigsten Schritte zusammengestellt, die getan werden müssen, wenn die gute alte Mechanik für einige Monate in Ruhezustand versetzt wird.

Die Brennräume
Am Wichtigsten erachtet Karl Kittel die Konservierung des Brennraumes. Nach dem Abstellen des Motors sind die einen Zylinder noch mit dem Kraftstoff-Luftgemisch gefüllt, ein an sich aggressiver Cocktail, die anderen Zylinder stehen mit offenen Ventilen da, also der Luftzirkulation ausgesetzt. Im Zuge der Gleichberechtigung müssen wir dies neutralisieren! Ganz einfach: Wir müssen nur die Zündkerzen herausschrauben. Wer über einen Kompressor verfügt, kann die Brennräume kurz ausblasen. Dann erfolgt die Konservierung, indem durch die Zündkerzenöffnungen ein Multifunktionsöl eingespritzt oder ein Kriechöl, wie WD40, eingesprüht wird. Hierbei müssen wir insofern aufpassen, da WD40 leicht entflammbar ist, also bitte niemals auf heisse Gegenstände sprühen! In diesem Zusammenhang sei es verraten: WD40 kann auch als Starthilfe gebraucht werden.

Ganz Gründliche lassen den Anlasser einige Sekunden laufen, so gelangt das eingefüllte Konservierungsöl überallhin in den Zylindern. Hiernach werden die Zündkerzen wieder eingeschraubt und festgezogen.

Um den gleichen Zweck zu erfüllen, gibt es auch eine einfachere, wenn auch nicht ganz so effiziente Methode. Wir deaktivieren die Zündung, indem wir das einzelne Zündkabel zwischen Zündspule und Zündverteiler an einem seiner Enden lösen. Dann bitten wir jemanden, das Gaspedal zu drücken und den Anlasser zu betätigen. Gleichzeitig sprühen wir einige Sekunden lang ein Öl aus der Spraydose in den offenen Luftfilter.

Schnittmodell, Mercedes-Benz Motor M 102

Motoren-Gesamtsystem
Hierbei sollten wir das gesamte System nicht wechselndem Klima und Luftbeschaffenheit überlassen. Einen umfassenden Schutz erreichen wir mit Verstopfen der Öffnungen, sprich Luftfilter und Auspuff. Dies geschieht ganz einfach mittels Lappen, die man mit Öl oder WD40 tränkt und in die entsprechenden Öffnungen stopft. Aber bitte darauf achten, dass diese im Frühjahr auch wieder entfernt werden können!

Servicearbeiten
Ölwechsel, Luft- und Ölfilterwechsel sind einmal im Jahr angesagt. Ob im Herbst oder eher beim Saisonbeginn – da geben uns die Experten freien Spielraum. Aber einmal im Jahr müssen auch die Schmiernippel zwar liebevoll aber mit Hochdruck bearbeitet werden! Die Bremsflüssigkeit ist hygroskopisch, das heisst sie zieht und speichert Wasser. Dieses kann in grösseren Mengen, also wenn man den Bremsflüssigkeitswechsel über mehrere Jahre nicht vornimmt, zu fatalen Bremsausfällen führen, namentlich bei hoher Beanspruchung wie Passfahrten. Aber im Falle der Überwinterung genügen auch minimale Mengen Wasser in der Bremsflüssigkeit um grosse Störungen hervorzurufen. Hierbei hat das Wasser Zeit, sich am untersten Punkt der Bremszylinder zu setzen – und Rost zu bilden. Die nächste Undichtheit ist damit vorprogrammiert. Daher bitte alle zwei, drei Jahre Bremsflüssigkeit wechseln.

Die Batterie sollte vor dem Abstellen vollgeladen werden und am besten hängt man ein Erhaltungsgerät an. Dieses hält die Batterie auf Trab und dadurch weiter funktionstüchtig. Bei den schönen alten «Gummibatterien», das sind welche mit Stöpseln zum Flüssigkeit nachfüllen, das Niveau der Batteriesäure kontrollieren und wenn nötig mit destilliertem Wasser ergänzen.

Ein Volltanken wird dringend empfohlen, in erster Linie bei Oldtimern mit Stahltank, um eine Korrosion zu verhindern. Bei wechselnden Temperaturen atmet der Treibstofftank durch dessen Entlüftung, wobei feuchte Luft in den Tank gelangt. Und – ihr wisst schon… Eine volle Betankung dient übrigens auch dem Brandschutz. Im ersten Moment paradox, doch wir müssen bedenken: Nicht flüssiges Benzin, sondern erst das Luft-Benzingas Gemisch in einem nicht vollen Tank ist hochexplosiv.

Bremsen
Als erstes bitte Hände weg von der Handbremse! In Trommelbremsen neigen die Bremsbacken sehr gerne zum «anhocken» an den Bremstrommeln. Viele Mercedes Modelle haben nebst ihren Scheibenbremsen für die Feststellbremse-Trommeln! Aber selbst bei den Scheibenbremsen können die Bremsklötze an den Scheiben irreparable Abdrücke hinterlassen. Also bitte in jedem Fall die Bremsen vor dem Abstellen trocken bremsen.

Ist doch schön: In Gegensatz zur Formel 1 reden wir also nicht nur von Aufwärmrunden, sondern auch von Bremsrunden!

LINKS: Schnittzeichnung Vorderrasaufhängung (links) mit Scheibenbremsen, Mercedes-Benz Typ 300 SL Roadster aus dem Jahre 1957
 
RECHTS: 
Vorderradaufhängung mit Scheibenbremse, Mercedes-Benz Typ 300 SL Coupé bzw. Roadster, aus dem Jahre 1961. Zeichnung

Pflege und Kosmetik
Natürlich gehört das abgestellte Fahrzeug zuerst einmal gründlich gewaschen – und aber auch getrocknet! Auch hierzu dient eine Runde von etwa 20 km um die Feuchtigkeit durch den Fahrtwind aus allen Ritzen restlos zu vertreiben. Ist dies erledigt, kommt die Feinbehandlung. Gummiteile werden mit Hirschtalg, Vaseline oder Silikon behandelt. Lederpolster werden gereinigt, aber bitte stets beide Arbeitsgänge ausführen: Reinigung aber auch die anschliessende Behandlung mit Pflegemilch! Nur das Eine oder das Andere durchzuführen ist für das eigentlich noch lebendige Leder tödlich antiproduktiv!

Dann gibt es noch kleine, aber sehr nützliche Tipps, wie zum Beispiel unter den Scheibenwischerarm einen Korkzapfen zu klemmen. Dies verhindert das monatelange Anpressen des Scheibenwischergummis an die Scheibe. Glaubt mir: Dafür wird beim nächsten Frühlingsregen der Scheibenwischer mit guter Durchsicht dankbar sein!

Wollt ihr im Frühjahr in euren Oldies keine Mäuse oder Käfer vorfinden? Dann schliesst bitte alle Lüftungsklappen! Fenster können für die Durchlüftung einen Spalt geöffnet werden, wenn man den Fahrgastraum mit einem luftdurchlässigen Tuch abdeckt.

Klimapolitik
Für unsere Oldies gibt es nur ein beliebtes Klima: gut durchlüftet und trocken. Eine Einstellhalle, wohin auch im Winter fleissig Autos ein- und ausfahren ist am wenigsten zu empfehlen. Diese bringen nicht nur Feuchtigkeit, sondern auch ständig wirkende salzhaltige Dämpfe in den Raum, also das Schlimmste, was man seinem Oldtimer zumuten kann. Unter dem Motto: «Es hat sich noch kein Auto erkältet, aber verrostet sind schon einige», ist unser Ort zum Überwintern am besten gut durchlüftet, also kalt und trocken. Aber auch hier Achtung: Frostschutz im Kühlsystem kontrollieren!

Reifen
So gründlich vorbereitet können wir nun unsere vierrädrigen Schätze beruhigt stehen lassen. Wir müssen nur noch bedenken, diese stehen mit ihren eins bis mehreren Tonnen Gewicht auf den Reifen, die bei älteren Fahrzeugen gesamthaft einen etwa vier Postkarten grosse Ablagefläche haben. Heute kann die Fläche grösser sein, aber dennoch in einem kleinen Verhältnis zum Gesamtgewicht. Also müssen wir den Reifen besondere Beachtung schenken, zumal diese einen der wichtigsten Aspekte im Kapitel der aktiven Sicherheit abdecken.

Manchmal gehen Schönheit und Sicherheit Hand in Hand. Dies kann auch bei den schwarzen Schönheiten zutreffen. Reifenpflegemittel verleihen dem Pneu nicht nur ein schönes Glänzen, sie dienen auch der Erhaltung der Elastizität und helfen, vorzeitiges Sprödewerden zu verhindern. Dann Steinchen im Profil: Weder schön, noch förderlich für ein langes Reifenleben. Und das ist genau der Punkt: Mit den Laufleistungen unserer Oldies haben wir in erster Linie nicht mit dem Verschleiss, als vielmehr mit der Alterung zu kämpfen. Konkret, das Auge des Gesetzes richtet sich nicht auf das eingestempelte Reifenalter, hingegen ganz scharf auf Risse in den Reifenflanken. Und das ist gut so, denn haben wir unsere Reifen geschmeidig gehalten, danken sie es uns mit sicherem Abrollen. Hierzu tragen Massnahmen bei, wie auch nicht allzu langes Parken bei praller Sonne.
 
Aber nun zum Abstellen. «Einfach so hingestellt», verursacht bereits in einigen Wochen einen leichten Platten im Pneu, der zwar nach einigen Zig-Kilometern Fahrt wieder verschwindet, aber bis dann sich unangenehm bemerkbar macht und der Reifenelastizität gar nicht zuträglich ist. Dies zu verhindern gibt es verschiedene Methoden:

Erstens sollten wir vor längerem Abstellen den Luftdruck erhöhen, Karl Kittel empfiehlt 4.0 bar. Dies sollte reichen, doch man kann noch weiter gehen. Es gibt teure Reifenkissen, die eine, auf den Reifen zugeschnittene Mulde haben, die es verhindern soll, dass die lange Standzeit den Reifen verformt. Aber es geht auch einfacher. Man nehme etwa 5 cm. dicke Styroporplatten und setze die Reifen darauf. Diese nehmen genau die Form der betreffenden Räder auf und im Frühjahr lauft das Ganze von Anfang an rund! Es gibt Enthusiasten, die das Auto aufbocken. Hierbei meine Empfehlung aus der Praxis: Nehmt dabei die Räder ganz weg, sonst kann es in Monaten zu einer unerwünschten Verlängerung der Federn führen, was dann auf den ersten Frühlingsaufahrten zu «Hochbeinigkeit» des Fahrzeuges führen kann. Viel besser ist es, das Fahrzeug an den Achsen aufzubocken. Dies verhindert, dass sich die selbsttragende Karosserie verzieht – ganz wichtig bei Cabriolets.

Der nächste Frühling
Macht bitte diese Arbeiten nicht etwa widerwillig, nein, macht sie in voller Vorfreude auf den nächsten Frühling! Der kommt nämlich schneller als man meint. Aber auch Herbst und Winter können nicht nur optisch wunderschön sein. Nein, sie bieten auch so viele kurzweilige Aktivitäten wie Wild-Saison, Christkindlimärkte, Weihnachten und Silvester, Winterwanderungen, Skiferien, sowie gemütliche Abende mit Fondue oder Raclette. Und kaum hat man all das genossen, kommen die ersten Osterglocken und Frühlingsknospen und begrüssen uns auf unseren Spaziergängen. Dann heisst es die Oldies ausmotten. Auch darüber kennen wir die Meinungen der Experten, diese werden wir in der ersten Ausgabe 2021 der Club Nachrichten kundtun, so könnt ihr damit rechtzeitig loslegen.

Und nun ab in die Werkstatt, wozu wir euch viel Vergnügen wünschen.

Eure Redaktion der Club Nachrichten MBVC Schweiz