Fahrzeug auswintern

Und nun naht die Oldtimersaison

Die Geschichte vom sechs Monate abgestellten Oldtimer, in den man hineinsitzt, den Schlüssel dreht und fröhlich wegfährt, mag am Stammtisch Eindruck machen. Dem Motorenkonstrukteur verursacht sie Bauchweh. 
 
András Széplaky
 
Im Frühjahr kommen naturgemäss Frühlingsgefühle auf. Diese sind auch wieder naturgemäss sehr unterschiedlich und mannigfaltig. An dieser Stelle wollen wir nur auf ein Thema eingehen: Den Oldtimer endlich wieder bewegen zu wollen!
 
Uns haben Kälte und Schneematsch lange genug davon abgehalten. Nun kamen die ersten wärmeren Frühlingsregen dazu und haben die Strassen vom vorsorglich gestreuten Salz endlich befreit.
 
Unsere Finger frieren auch nicht mehr an Allem fest, was wir berühren. Was hält uns noch zurück, unsere zwei- drei- oder vierrädrigen Freunde für die erste Frühlingsausfahrt vorzubereiten?

Erste Schritte
Zuerst einmal müssen wir die Vorkehrungen, die wir im Herbst getroffen haben, rückgängig machen. Das Wichtigste ist, die ölfeuchten Lappen zu entfernen. Diese haben wir im Luftansaug und im Auspuff platziert, damit die salzfeuchte Luft nicht durch die wertvolle Mechanik strömen kann. Dann haben wir den Luftdruck in den Reifen erhöht, um «Stehplatten» zu vermeiden. Den Luftdruck in den Reifen müssen wir so oder so kontrollieren und richtigstellen. Wie war das mit den Zündkerzen? Haben wir nicht etwa beschlossen, für die nächste Saison neue einzubauen? Dann der Ölwechsel: Haben wir ihn vor dem Abstellen gemacht, oder beschlossen dies bei der Betriebsaufnahme zu machen? Haben wir etwa das Auto aufgebockt? Oder sonstige Konservierungsmassnahmen ergriffen?

Zu guter Letzt werfen wir einen Blick unter das Auto – hat es etwa irgendwelche Flüssigkeiten verloren? Sollte nicht sein. Wenn doch, dann müssen wir diesem zuerst auf den Grund gehen.

Die Startvorbereitungen
Hier widmet der Fachmann seine grösste Aufmerksamkeit auch wieder, wie beim Abstellen, den Brennräumen. Ist ja klar – wer möchte schon seine Herzkammern vernachlässigen? Diese sollten beim ersten Starten nach der Winterpause nach Möglichkeit wieder geschmiert sein. Was heisst das genau?

Bei jedem Kaltstart wird das Kraftstoff-Luft Gemisch angereichert, entweder durch die Startautomatik, oder wir ziehen den Choke. Warum eigentlich? Weil sich der im zündfähigen Gemisch befindliche Treibstoff teilweise an den kalten Zylinderwänden niederschlägt und damit nicht nur für das Zünden verloren geht, sondern auch von den Zylinderwänden den Schmierstoff wegspült. Es reibt sich Metall auf Metall, es entsteht grosse Abnutzung. Das ist der Grund, warum es heisst, ein Kaltstart nutzt den Motor mehr ab, als hunderte Kilometer Autobahnfahrt bei Betriebstemperatur. Denn erst bei Betriebstemperatur ist die Motorschmierung optimal und sorgt für nahezu nicht nennenswerte Abnützung.
 
Bei einem Kaltstart nach der langen Winterpause kommt noch hinzu, dass durch die lange Standzeit der ganze Schmierstoff, also Öl, aus den Zylindern in die Ölwanne zurückfliessen konnte.
 
Wir sollten also für Schmierung sorgen vor dem ersten Start. Da gibt es verschiedene Methoden. Wir können bei herausgeschraubten Kerzen durch diese Öffnungen speziell dafür vorgesehenes Öl einspritzen. Oder ganz einfach Motorenöl, allenfalls WD40.
 
Eine andere Vorgehensweise ist es, die Zündung deaktivieren – der  Fachmann tut dies mit Trennen der Klemme 15 an der Zündspule – und den Anlasser betätigen, bis der Öldruck aufgebaut ist. Die meisten Mercedes Modelle verfügen über eine Öldruckanzeige. Bei älteren Fahrzeugen mit mechanischer Benzinpumpe entfällt das  Deaktivieren der Zündung, weil die Benzinpumpe eh einige Zeit braucht, bis sie den Treibstoff zum Vergaser befördert hat.

Und nun können wir uns beruhigt hinters Steuer setzen, den Zündschlüssel drehen und unsere erste Frühlingsausfahrt mit ruhigem Gewissen geniessen!

Aber bitte dann auch ausgiebig geniessen! Mindestens ca. 50 km. Nun warum? Der kalte Motor braucht etwa 20 bis 25 km bis er betriebswarm ist und dies erkennen wir keinesfalls an der Kühlwassertemperatur, sondern an der Öltemperatur. Und diese wird erst nach ca. 20 bis 25 km erreicht. Dann kommt die Phase des inneren  Reinigens. Beim Kaltstart entsteht Kondenswasser, wie oft haben wir vor uns Autos gesehen, mit aus dem Auspuff tropfendem Wasser. Dieses Kondenswasser vermengt sich mit den schädlichen Abgasen, die durch den Kaltstart entstanden sind. Es entstehen für Metalle ganz agressive-, meistens Schwefel-Verbindungen.  Diese heisst es in den kommenden 20 bis 25 km hinauszutreiben. Diese können nämlich nicht nur dem Motor Schaden zufügen, sondern auch die beste Chromstahl Auspuff-Anlage von innen zerstören.

Nach dem Kaltstart sollte sofort losgefahren werden, denn im Stand braucht der Motor zu lange um auf Betriebstemperatur zu kommen, und dies bei ungenügender
Schmierung. Gefahren werden sollte dabei im günstigsten Drehmomentbereich, hier zwischen 3’000 und 4’500 Touren.
 
Nach Erreichen der Betriebstemperatur, das heisst Öl in Wanne 125° C, darf erst herzhaft Gas gegeben werden um den Motor von den beim Kaltstart entstandenen schädlichen Gasen und Flüssigkeiten freizupusten.


 
 
 
 
Motorenkunde bei der Daimler-Motoren-
Gesellschaft bereites im Jahre 1915.