Chassistypen-Ausfahrt 2022

Chassistypen-Ausfahrt 17. Juli 2022

Hand aufs Herz: Wer von der geschätzten Leserschaft weiss, oder wusste, was das EBIANUM ist und was es beherbergt?
 
András Széplaky
 
Wer aus der Nordwest-Schweiz in die Ostschweiz oder ins Bündnerland gelangen will, findet wunderbare Strassen und Autobahnen via Zürich, die jedoch je nach Tageszeit auch wunderbar verstopft sind. Macht nichts, in einem solchen Fall startet man eine halbe Stunde früher und wählt die Kantonsstrasse 7. Diese führt entlang des Rheins direkt nach Winterthur. Danach ist auf der Autobahn meist Ruhe. Diese Hauptstrasse 7 ist unbeschreiblich schön; mal kurvt sie durch Wälder, mal führt sie unmittelbar am Rheinufer entlang, fast auf Wasserhöhe. Sie hat durchgängig einen Veloweg, so kommt man einander nicht ins Gehege. Bei Koblenz überquert sie die Aare und führt uns in Weiach zu einer der grössten Kiesgruben der Schweiz. Da wurde sie einmal sogar ins Landesinnere verlegt, um die Kiesgrube vergrössern zu können. Eingangs Weiach, links am Strassenrand steht ein knallgelber Koloss auf Raupen und wirbt unübersehbar für das EBIANUM. Hundertmal daran vorbei gefahren, hundertmal gesagt «das müsste man sich einmal zu Gemüte führen», hundertmal ist nichts daraus geworden. Dann kam die Ausschreibung für die eintägige Chassistypen-Ausfahrt und lud uns ein – ins EBIANUM. Gleich mit Treffpunkt auf dessen grossem Parkplatz.

So fuhren wir am Sonntag, 17. Juli 2022 Richtung Weiach und verliessen die Strasse am Kreisel nach Fisibach. Auf dieser Nebenstrasse war unser Ziel bereits signalisiert und wir trafen auf dem grossen Parkplatz ein, wo nach einer Sternfahrt bereits etliche Chassistypen in der Sonne glänzten. Nach gegenseitiger Begrüssung und Bewunderung der herausgeputzten Fahrzeuge bei bereits fast 30° und strahlender Sonne, war es Zeit, in der Cafeteria Platz zu nehmen. Gipfeli wurden serviert, Kaffee oder Tee musste man an der Theke holen. Dann rief Doris‘ «Guuge» und es folgte eine Begrüssung und die Verkündigung, dass wir die Ausstellung ohne Führung frei besichtigen können. Wer wollte, konnte ein Audiogerät mit Kopfhörer abholen und bei jedem Exponat Geschichte und Spezifikation ganz genau erfahren.
 
Beim Betreten der Ausstellung erschlug uns die Wirklichkeit: Mächtige, spezielle Baumaschinen, welche die Firma Eberhard in ihrem über 60-jährigen Bestehen verwendete. Dabei wurden durch diesen Familienbetrieb nicht nur Kiesgruben abgebaut, nein, sogar der Flughafen Zürich-Kloten gebaut. Riesige, meist Raupenfahrzeuge sind ausgestellt, in Dimensionen, dass man den Kopf in den Nacken legen musste. Manche der Maschinen glänzen wie neu, andere stehen so da, wie sie ihren letzten Dienst verrichtet hatten. Einige sind in Szene gesetzt; auf Kieshaufen oder auf dem riesigen Misthaufen, der abgearbeitet werden muss.

Zu den Berna- und Saurer-Lastwagen entwarf die Firma hydraulische Kippersysteme, die dem jeweiligen Einsatzzweck angepasst waren. Die letzten Saurer, beide D330 6X6, erwarb die Fima interessanterweise 1980 als Frontlenker und 1982 als Schnauzer (Haubenfahrzeug). Letzterer diente als Zugfahrzeug von Tiefladern für schwere Baumaschinen.

Für Romantiker stand auch ein älterer, holzbeplankter Anhänger für die Übernachtung auf dem Bau da. Von aussen sah man schon die kessen Vorhängli und wenn man die fünf Stufen zur Eingangstüre erklomm, dann auch den Herd, den Esstisch und weiter hinten die Kajütenbetten mit natürlich rot-weiss karierten Überzügen – sowie auf dem Holzriemenboden ein paar Ratten als wenig geliebte Mitbewohner.
 
An den Wänden hängen viele Fotografien aus der Geschichte des Familienunternehmens, die nicht nur die Modernisierungsschritte bei den Arbeitsgeräten zeigen, sondern auch Familienanlässe, wenn es etwas zu feiern gab. Wenn man die Bilder anschaut und die Entwicklung verfolgt, bekommt man das Gefühl, bei der Firma Eberhard handelt es sich um einen Betrieb, wo Tradition und Zusammenhalt den Fortschritt prägten. Auch der Umstand, dass sie ihre Baumaschinen nach ihrer abgelaufenen Einsatzzeit nicht einfach entsorgten, sondern für eine umfassende Geschichtsschreibung behielten, zeugt für die überaus engagierte Einstellung zu den Geschäften, die sie tätigten.

Eine Sonderausstellung zeigte uns auf eindrückliche Art einen ganz besonderen Einsatz der Gruppe Eberhard auf: Die Sanierung der Sondermülldeponie Kölliken. Für diese äusserst heikle Aufgabe wurden spezielle Geräte hergestellt, unter Anderem Riesenbagger mit gepanzerten, luftdicht abgeschlossenen Führerkabinen mit eigener Sauerstoffversorgung. Auf der Plattform dieser Ausstellung konnte man Filme über die Arbeitsweise sehen und zwei der Führerkabinen betreten, die dabei im Einsatz waren. Die Aktion dauerte von 2007 bis 2017.

Doch noch nicht genug des Staunens: Ausser der riesigen Baumaschinenausstellung sind auf weiteren zwei Stockwerken in einer der weltweit grössten Modellausstellungen mehr als 3000 Exponate von Baumaschinen, Lastwagen, Kranen, Schwertransportern, usw. zu bewundern. Von den bekannten Weiacher Kieswagen für die Eisenbahn in H0 sowie Spur I bis hin zu Spezialmaschinen mit unvorstellbaren Dimensionen, Spezialkräne, allerlei Maschinen für Erdbewegungen und zum grossflächigen planieren.

So, fertig gestaunt, es hiess ja: Treffpunkt um 12:00 Uhr auf dem Parkplatz zur Weiterfahrt. Unser Ziel, die Propstei mit Pfarrkirche St. Oswald liegt auf dem kürzesten Weg ganze 4 km weit. Doch es wäre keine MBVC-Ausfahrt, wenn man diesen nehmen würde. Nein, Doris stellte eine hübsche Route zusammen auf beschaulichen Nebenstrassen über Neerach, Steinmaur, Niederweiningen und dabei konnte man die ausgedehnten Kiesabbaugebiete in Realität bestaunen.

Bei der Propstei in Wislikofen angekommen parkierten wir in mehreren Blöcken, zum Teil unter Schatten spendenden Bäumen. Dann ging es in den Klosterhof zum Apéro. Jede und jeder fasste sein Getränkeglas und suchte einen Schattenplatz bei den Stehtischen unter einem Sonnenschirm. Es war, nach einigen verregneten Chassistypen-Ausfahrten endlich wieder einmal ein echter Hochsommertag!
 
Und wieder rief Doris‘ «Guuge» – diesmal zum Mittagstisch. Aussuchen konnte man bei der Anmeldung zwischen Fleisch, Fisch und einem vegetarischen Menü. Zwischen zwei Gängen ergriff Heinz Ehrismann das Wort und erzählte die Geschichte des Klosters Wislikofen, das ursprünglich als Stiftung von Grundherren aus der Region an das Kloster Sankt Blasien im Schwarzwald errichtet wurde. Bereits am Anfang des 12. Jahrhunderts gegründet, erweiterten es hauptsächlich im 17. Jh. verschiedene Äbte. 1807 erfolgte die Säkularisierung. Das ehemalige Benediktinerkloster wurde 1973-76 renoviert und beherbergt seither ein Bildungszentrum der römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Aargau und ist auch für sonstige Veranstaltungen öffentlich zugänglich.

Nach Dessert und Kaffee rief Doris zu ihrem Schlussplädoyer und machte nachdrücklich darauf aufmerksam, dass diese Art von Ausfahrt nur weiter bestehen kann, wenn auch andere Teilnehmer einmal selbst aktiv werden und die eine oder andere Organisation in die Hand nehmen. Sie ist nämlich spontan eingesprungen für abgesprungene Organisatoren und hat kurzfristig diese Ausfahrt auf die Beine gestellt – wie bereits dies Trudy vor zwei Jahren gemacht hat. Abschliessend bedankte sich Doris bei den Teilnehmenden dafür, dass sie ihre alten Fahrzeuge pflegen und sie bei diesen hohen Temperaturen pannenfrei hierhergefahren sind. Ein spezieller Dank gilt dem Team der Propstei Wislikofen, das auf alle Änderungen sehr flexibel und zuvorkommend reagiert und uns köstlich bewirtet hat.
 
András bedankte sich im Namen des Vorstandes nicht nur für die Organisation dieses Anlasses, sondern überhaupt für die Idee, die Doris und Hans Peter entwickelt und 2009 erstmals in der Form einer Chassistypen-Ausfahrt für die ältesten Fahrzeuge in unserem Club umgesetzt haben. András stellte dabei auch die Frage: Wie sieht die Zukunft der Autos mit Verbrennungsmotoren aus? Und wie sieht die Zukunft für diejenigen aus, welche diese ganz alten Fahrzeuge überhaupt noch pflegen und fahren können? Unsere Jugend weiss bald nicht mehr, was schalten heisst, geschweige denn fahren mit einem nicht synchronisierten Getriebe.

Zum Schluss bot Frau Nicole Wächter, ein Direktionsmitglied des Hauses an, ganz spontan und freiwillig einen Rundgang durch die alten Gemäuer zu machen. Die meisten folgten dieser freundlichen Einladung und bestaunten den ehemaligen Kreuzgang, die Grabsteine, die freigelegten Fresken und die schön restaurierten Kassettendecken. Weiter zeigte sie uns die Seminarräume und die «Einer- oder Zweier-Zellen» der Seminarteilnehmer oder Hotelgäste sowie die Kirche. Das i-Tüpfli bildete der Kräutergarten. Frau Wächter erklärte auch, dass in diesem Hotelbetrieb ausschliesslich mit saisonalen, in der Umgebung erzeugten Rohstoffen gekocht werde. Wir bedankten uns für die spontane Führung, schauten dass unsere Gläser leer wurden und verabschiedeten uns voneinander. Für die Heimfahrt bildeten sich kleine Grüppchen und so ging eine erlebnisreiche, tolle Chassistypen-Ausfahrt zu Ende.

 
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