Interview mit Gründungsmitglied

35 Jahre MBVC: Interview mit Markus Ackermann, einem Clubgründer

Gespräch mit Markus Ackermann, Mitbegründer des MBVC (damals SMB) und Vorstandsmitglied von 1976 bis 1997

  • In der letzten CN ist ein Artikel zur Clubgründung von Georges Bürgin erschienen. Du warst nicht nur Gründungsmitglied, sondern Mitbegründer und vom Tag der Clubgründung weg auch Vorstandsmitglied. Wie hast Du die Gründung des MBVC erlebt?

Es begann damit, dass ich von Georges Bürgin, welchen ich bis dahin nicht kannte, einen Telefonanruf erhielt. Damals wohnte ich in Oberburg in einem Stöckli und der Telefonapparat war noch ein Wandmodell. So hatte ich mich während des fünf Viertelstunden dauernden Gesprächs anfänglich an die Wand gelehnt, bis mir meine Frau, als sie merkte dass es länger dauern könnte, einen Stuhl hinschob. Dies war mein erster und historischer Kontakt mit Georges Bürgin und seiner Idee einer Clubgründung.

Georges Bürgin kannte bereits Willi Schürch, der ebenfalls Mitbegründer des Clubs wurde und ich kannte Willi Schürch meinerseits von einem zufälligen Zusammentreffen: Bei einem Ausflug hatte ich auf dem Parkplatz des Restaurants Schützen in Steffisburg einen «Stuttgart» stehen sehen, suchte dessen Besitzer und kam mit ihm ins Gespräch.

So kamen die Kontakte zustande und wurden von Georges Bürgin gefördert, der gezielt Personen angeschrieben und angerufen hat, mit dem Ziel, sich zum Club zusammen zu schliessen, ein Netzwerk zu bilden.

Auch ich habe mich begeistern lassen. Zu Beginn meinte Georges Bürgin, mein 300 SL sei zwar ein jüngeres, erst 18 Jahre altes Fahrzeug, aber es gehöre klar zur Entwicklungsgeschichte von Mercedes-Benz. Ich hatte mich eben nicht primär für ganz alte Fahrzeuge interessiert; nebst meinem 300 SL besass ich damals noch einen 190 SL und einen 220 SEb W 111/3.

Meine Affinität zu Mercedes-Benz war damals bereits vorhanden, denn ich bin in meinem Elternhaus mit dieser Fahrzeugmarke aufgewachsen und war somit familiär vorbelastet. Ich habe auf einem 180er Ponton fahren gelernt – verbotenerweise auf einem Instruktoren-Testfahrzeug meines Vaters und war gerade mal 14 Jahre alt. Auch erinnere ich mich, dass wir in der Sekundarschule, wie dies so üblich ist, nach den Schulferien einen Aufsatz über die Ferienerlebnisse schreiben mussten. Da unsere Familie damals kaum Ferien machte und ich deshalb zuhause geblieben war, fragte ich den Lehrer, ob ich eine Geschichte erfinden dürfe. Ich durfte und so liess ich meiner Fantasie freien Lauf und beschrieb als 15-Jähriger in allen Details, wie ich mit einem Freund am Steuer eines 300 SL über die deutschen Autobahnen gefahren sei. Der Lehrer war begeistert von meinem Aufsatz (ich auch!) und honorierte diesen mit einer 6.

  • Was waren Deine Beweggründe, beim Aufbau des Clubs aktiv mitzuhelfen?

Ich begann früh damit, bei allem was einen Motor hat, selbst Hand anzulegen. Wenn es etwas zu reparieren oder zu schrauben gab, sei es beim Renault Heck (meinem ersten eigenen Auto), beim IFA [DDR-DKW], beim Mini Cooper, beim 190er Ponton, bei der Heckflosse oder bei den Mopeds und Rollern, versuchte ich das Problem zu lösen.

     

Sympathie zu Mercedes-Benz, die Grundbegeisterung war da. Mit dem Schrauben an diesen Fahrzeugen wuchs auch die Identifikation mit dieser Marke. Dafür musste mich also Georges Bürgin nicht mehr begeistern. Hingegen brauchte es etwas Überzeugungsarbeit, um mich für die Mitarbeit im Club zu gewinnen, denn ich hatte bis dahin keine Cluberfahrung. Schliesslich fühlte ich mich aber vom feurigen Engagement von Georges Bürgin motiviert und sagte schliesslich mit Freude zu.

  • Wie hast Du den Club in den ersten Jahren seiner Existenz erlebt? Sind Deine Vorstellungen, Hoffnungen und Erwartungen Wirklichkeit geworden?

Meine Erwartungen waren zu Beginn nicht sehr hoch. Ich freute mich auf die unterschiedlichen Fahrzeugtypen – viele erinnerten mich an meine Jugendautos – und auf die Benzingespräche. Anfangs war der Erhaltungszustand der Oldtimer unserer Mitglieder sehr unterschiedlich. Gröbere Rostlöcher kamen schon Mal vor und wurden denn auch vom Vorstand bemängelt. Im Club haben sich gute Kontakte ergeben – man kann von Clubfamiliarität reden und es gab schöne Ausfahrten. Dadurch und durch die Vorstandstätigkeit wuchs mir der Club dann schnell ans Herz.

  • Ist Dir irgendein Ereignis – ein besonderes Erlebnis, eine ungewöhnlich stimmungsvolle Ausfahrt etc. – aus den ersten Clubjahren im Gedächtnis haften geblieben, an das sich die älteren Clubmitglieder gerne erinnern und das auch die jüngeren interessieren könnte?

Ganz spontan erinnere ich mich an eine Ausfahrt ins Berner Oberland. Wir übernachteten im «Beaurivage» in Interlaken und erlebten eine wunderschöne Dampfschifffahrt mit der «Lötschberg» auf dem Brienzersee. Aber es gibt da auch noch andere Erinnerungen…

Auf der einwöchigen Ausfahrt anlässlich des zwanzigjährigen Jubiläums des MBVC, die uns vom Bündnerland ins Tessin, ins Wallis, ins Berner Oberland und in die Innerschweiz führte, bauten Kurt Ziehbrunner und ich in Unterbäch in der Hoteleinstellhalle – alarmiert durch unschöne Klappergeräusche im Motor – gemeinsam die Nockenwelle des 300 S Cabriolets von Manfred Sauter aus. Dabei zeigte sich, dass die Schrauben eines Kipphebelbockes ausgerissen waren. In einer wirklichen Nachtübung verbauten wir im Zylinderkopf zwei Helicoil-Gewindeeinsätze und konnten so die Situation retten. Schadenssuche und Reparatur wurden aber ein umfangreiches Unternehmen. Als Folge davon verpassten wir das gemeinsame Nachtessen, denn wir tauchten erst nach 22.00 Uhr aus der Tiefgarage wieder an der Oberfläche auf. Aber es gab uns das gute Gefühl, geholfen zu haben. Am nächsten Tag erhielt der 300 S in der Mercedes-Benz Garage in Visp mit Hilfe der Einstellgeräte noch die korrekte Zündeinstellung, worauf er wieder ordnungsgemäss lief.

Ein älteres [hier nicht mit Namen genanntes] Clubmitglied war im Besitze zahlreicher Mercedes-Oldtimer. Seine Frau hatte offensichtlich von einigen keine Kenntnis bis zu dem Tag, als das Foto einer Geschwindigkeitsüberschreitung mit Bussenzettel ins Haus flatterte…

Anlässlich einer Ausfahrt ins Tessin haben die Teilnehmenden ihre Autos in Lugano in der Via Nassa zur Präsentation aufgestellt. Ich hatte meinen 300 SL soeben parkiert und sass noch im Auto. Da kam eine ältere, gepflegte, vielleicht 80-jährige Dame auf mein Auto zu, strich mit der Hand sanft über den rechten Kotflügel und sagte strahlend: «Che bella macchina!». Ein unglaublich schöner Moment, grazie Signora!

  • Was hat sich in den verflossenen 35 Jahren im MBVC verändert oder was ist gleich geblieben? Positive und negative Seiten der Club-entwicklung?

Ich finde sehr positiv, dass sich der Club überhaupt so entwickelt hat! Diese grosse Fahrzeugpalette mit all den gepflegten Fahrzeugen, das erreichte, hohe Niveau des Clubs mit seinem gepflegten, gediegenen Erscheinungsbild, keine negativen «Ausreisser» und der kollegiale Umgang der Mitglieder, all das ist doch super. Im Allgemeinen hat sich der MBVC kontinuierlich positiv entwickelt. Dazu gilt es allerdings zu bemerken, dass es am Anfang, als der Club noch kleiner war, persönlicher zu und her ging. Bei den heutigen Treffen ist – gerade wenn viele Mitglieder teilnehmen – der persönliche Kontakt mit allen Teilnehmern kaum mehr möglich und bleibt in der Folge auf einige wenige Kolleginnen und Kollegen beschränkt.

Schliesslich werden Führung und Verwaltung des Clubs mit zunehmender Grösse anspruchsvoller. Dies zeigt sich insbesondere bei den Ausfahrten, welche ohne professionelle Organisation nicht mehr durchgeführt werden können. Ich kenne den Aufwand, der von den Verantwortlichen betrieben werden muss, sehr gut. Der Vorstand kann jedoch nicht immer grösser werden, um die Arbeitslast auf noch mehr Schultern zu verteilen. In diesem Sinn ist das Wachstum nicht nur positiv. Die Perspektive von möglichst vielen Mitgliedern im Hinblick auf die höheren Einnahmen durch mehr Mitgliederbeiträge hat aus diesen Gründen auch Schattenseiten. Zudem können bei Ausfahrten nur noch Hotels mit grosser Bettenzahl und entsprechenden Einstellhallen berücksichtig werden, dies als Folge der grossen Teilnehmerzahl und auch wegen der stetig steigenden Erwartungen der Teilnehmer an die Unterbringung.

  • Hast Du als Clubmitbegründer und langjähriges verdientes Vorstandsmitglied eine Empfehlung zuhanden der künftigen Clubentwicklung?

«Massvoll» ist das Stichwort, das mir dazu spontan einfällt. Dies gilt für alle Belange. Ausserdem wäre das aktive Engagement von jüngeren Mitgliedern wünschenswert. Auf sie sollte der Fokus vermehrt gerichtet werden. Da jedoch vor allem pensionierten Mitglieder über die erforderliche Zeit verfügen, besteht die Gefahr einer «Überalterung». Ich habe seinerzeit mit meinem Austritt aus dem Vorstand diesbezüglich ein entsprechendes Signal setzen wollen. Es wäre nämlich für junge Mitglieder oder Interessierte gut zu sehen, dass sie im MBVC allgemein aber auch im Vorstand durchaus vertreten und willkommen sind. Natürlich ist mir klar, dass man manchmal erst im fortgeschrittenen Alter und etwas grösseren finanziellen Möglichkeiten zu einem Oldtimer findet. Aber es gibt ja auch Einstiegsmöglichkeiten mit einem erschwinglichen Youngtimer.

  • Wie ist Dein Verhältnis zum historischen Automobil, zum Oldtimer? Man kennt Dich als Besitzer und erfreulicherweise auch als Fahrer eines sehr wertvollen Exemplars, einer automobilen Ikone. Was kannst Du dazu sagen?

Seit ich den 300 SL besitze [und dies ist im Juli 2011 genau 40 Jahre her; Anm. der Redaktion] bin ich nie «angezündet» (angepöbelt) worden. Das finde ich sehr sympathisch. Dazu ein Beispiel: An einem Sommerabend war ich mit dem 300 SL zum Nachtessen nach Bern ins Schwellenmätteli an der Aare gefahren. Als ich zu meinem Fahrzeug zurückkam, stand eine Gruppe von etwa acht grimmigen Rockern in Ledermontur darum herum. Zunächst zögerte ich etwas, ging dann aber doch zu meinem SL, grüsste die Herumstehenden und schickte mich an, einzusteigen. Dabei ergab sich spontan eine sympathische Unterhaltung mit spezifischen Fragen zum SL und am Schluss des Gesprächs wünschten mir alle eine gute Fahrt.

Mir scheint die Akzeptanz gegenüber Oldtimern, auch der Marke Mercedes-Benz, im Allgemeinen recht gross. Bedauerlicherweise fehlt jedoch in der Schweiz – vor allem in der Deutschschweiz – im Volk oft die spontane Begeisterung. In Ländern wie Italien, Frankreich England und teilweise auch in Österreich und Deutschland erlebt man wesentlich mehr Spontaneität. Da sitzen oder stehen Dorfbewohner oftmals an der Strasse und applaudieren, wenn man vorbeifährt. In der Schweiz kommt das kaum vor. Schade, aber es ist einfach so.

  • Wenn du frei verfügen könntest, mit welchem historischen Mercedes-Benz Modell würdest Du Deine Fahrzeugpalette vervollständigen?

Nun, ich bin ja kein Sammler, aber (wieder) mit einer Pagode. Ich besass mal eine mit Jahrgang 1968. Es sind tolle Autos, ich fuhr meine gerne, sie sind handlich, komfortabel und gefallen mir nach wie vor sehr gut. Pagoden haben Charakter, sind eigene, «automobile Persönlichkeiten».