40 Jahre MBVC – Dienstag, 14. Juni

Durch das Bergell nach Chiavenna

Urs Hilzinger & Ruedi Brändle

Wir müssen zugeben: Peider Signorell hatte einen besonderen Draht zu Petrus. Das Wetter an diesem Tag war ja bedeutend besser als angesagt. Alleine oder gruppenweise ging die Fahrt ins schönste Tal der Schweiz, wie Christian Haltner uns überzeugen wollte. Ja wirklich, es ist wunderschön, wie wir noch feststellen durften.
 
Am idyllischen Silsersee vorbei, links und rechts der Strasse immer wieder majestätisch stehende Föhren, dann durch Maloja. Giovanni Segantini hatte sich diesen Ort als letzte Heimat und Sujet für so viele Naturbilder ausgewählt. Auch Giovanni Giacometti wirkte hier, der Vater von Alberto Giacometti. Wir erreichten den 1815 m.ü.M. liegenden Malojapass. Der Maloja ist auf seiner Nordseite eher flach, nach Süden aber steil und abrupt. Mit unzähligen Kurven und Serpentinen fällt die Strasse auf einer Länge von 32 km um 1482 m ab, bis Casaccia.

Unsere kleine Gruppe machte einen ersten Halt in Vicosoprano. Die Durchfahrt durch die engen gepflasterten Strassen vorbei an Patrizierhäusern, verlangte von uns ein langsames Fahren. Zu Fuss bewunderten wir diese Häuser, die trotz ihres Alters noch immer Fassaden mit kostbaren Graffiti und Adelswappen ausweisen. Eine Inschrift begeisterte: «non c’è uomo su questa terra che non abbia un briciolo di follia» (es gibt keinen Menschen auf Erden ohne eine Spur von Verrücktheit). Na ja, das hat wohl heute immer noch seine Gültigkeit!

Im Dorfladen erfuhren wir, dass Vicosoprano mal der Hauptort des Tals war und heute die grösste Ortschaft im Bergell mit etwa 500 Bewohnern (im ganzen Tal etwa 1000 Einwohner) ist. In der Nähe des mit einem typischen Steinbrunnen geschmückten Hauptplatzes befindet sich das Pretorio, Sitz der alten Gemeindebehörde und das Bergeller Gericht aus dem Jahr 1583. Neugierig betrachteten wir das ganze Gebäude. Im Pretorio wurden die Prozesse abgehalten und bei Schuld wurde man zuerst an den Pranger gestellt und kam dann ins Gefängnis im Senvelenturm, welcher als Gefängnis und Folterkammer diente. Schaudernd betrachteten wir die Folterinstrumente. Kaum zu glauben, dass im 17. Jh. nicht wenige vermeintliche Hexen gefangen gehalten wurden und am Galgen endeten. Grässlich.

Wir verliessen Vicosoprano über die alte steinerne Bogenbrücke und fuhren weiter Richtung Italien. Durch die Faszination dieses Dorfes verloren wir etwas Zeit und fuhren direkt weiter über die Grenze in Castasegna, quer durch Chiavenna nach Mese, Provincia di Soglio. Das Ristorante Grotasc (sprich Grotasch = Grotto) ist wunderschön gelegen mit herrlichen Terrassen, beschattet durch Bäume. Das sehr freundliche und sympathische Personal servierte uns Antipasti, Secondi und Dolci von feinster Qualität. Bei der Gelegenheit müssen wir erwähnen, dass wir die ganze Woche hindurch ausschliesslich qualitativ äusserst gute Mahlzeiten geniessen durften und zum Leidwesen unserer Figur, auch meistens quantitativ eher viel. Nach diesem genussvollen Essen wurden die einen per Bus nach Chiavenna gefahren, unsere Gruppe zog es vor, weitere Bergeller Dörfer zu erkunden.

Auf dem Weg zu weiteren Highlights. Die Wasserfälle des Acquafraggia-Bachs im italienischen Abschnitt des Bergells. Ganz nah kann man die gewaltigen Wassermassen bestaunen, die im doppelten Wasserfall den Fels herunter stürzen. Zwar regnete es, aber nass wären wir sowieso geworden.

Weiter nach Soglio, wo bereits wieder die Sonne schien. Soglio liegt auf 1090 m.ü.M. und ist bekannt für seine natürlichen Kosmetikprodukte von höchster Qualität. Zu Fuss auf steingepflasterten Gassen, zwischen engstehenden alten Häusern und Ställen erreichten wir im Zentrum den Palazzo Salis, erbaut im 17. Jh. von der einflussreichen Familie von Salis, seit etwa 100 Jahren ein Hotel. Von Ritter Battista 1630 erbaut, erhielt der Palazzo 1701 seine heutige Stattlichkeit. Es mischen sich Möbel aus vier Jahrhunderten mit dem Hotelmobiliar. Natürlich gab uns das Hotel-Ehepaar die Möglichkeit, dieses wunderschöne Haus zu besichtigen. Infolge dessen schon wieder in Zeitnot, fuhren wir ohne weiteren Halt zurück ins wohl schönst gelegene Hotel am St. Moritzer-See.